Bei industriellen Produktionsprozessen unvermeidbares CO2 muss aus den Abgasen der Fabriken abgeschieden und gelagert werden, hieß es bei der Herbsttagung der ÖGEW und der DGMK in Wien.
Bei allen technischen und ökonomischen Herausforderungen sind Verfahren zur Abscheidung von CO2 aus den Abgasen von Fabriken und Kraftwerken unverzichtbar zum Erreichen einer klimaneutralen Wirtschaft. Das war der Tenor einer Podiumsdiskussion bei der Herbsttagung der ÖGEW sowie der DGMK, die am 14. und 15. November in Wien stattfand.
Holger Ott, der Inhaber des Lehrstuhls für "Reservoir Engineering" an der Montanuniversität Leoben im österreichischen Bundesland Steiermark, erläuterte, insbesondere bei manchen industriellen Produktionsprozessen ließen sich CO2-Emissionen faktisch nicht vermeiden, was als "hard to abate" bezeichnet werde. Daher gebe es keine andere Lösung, als das CO2 aus den Abgasen zu filtern und anschließend entweder unterirdisch zu lagern (Carbon Capture and Storage, CCS) oder es für die Erzeugung nutzbarer Materialien zu verwenden (Carbon Capture and Utilization, CCU).
Das Problem bei derartigen Methoden ist laut Ott weniger die Technik als die Akzeptanz der Politik und der Bevölkerung: "Dabei tragen die Konsumenten nicht weniger zum Klimawandel bei als die Erdöl- und Erdgasproduzenten." Manchen Interessengruppen, die CCS und CCU kritisierten, gehe es auch darum, "zu polarisieren, um sichtbar zu werden". Tatsächlich handelt es sich bei CCS um eine vergleichsweise altbekannte und bewährte Technologie, erinnerte Ott: Sie wurde bereits vor Jahrzehnten entwickelt, um die Ausbeute bei der Erdölförderung zu erhöhen. Darauf aufbauend, wurden seit den 1990er Jahren die heute verfügbaren einschlägigen Verfahren erarbeitet.
"Offener Umgang"
Zu einem "offenen Umgang" mit CCS riet Veronika Ruthensteiner von der OMV Energy. Ihr Unternehmen, eine Tochter des österreichischen Öl-, Gas- und Chemiekonzerns OMV, ist derzeit an zwei Projekten beteiligt. Mit diesen sollen ab den frühen 2030er Jahren insgesamt bis zu 12,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr in Gesteinsformationen in der norwegischen Nordsee eingespeichert werden. Ferner ist die OMV Energy Teil der österreichisch-bayrischen CO2-Exportinitiative. Diese hat das Ziel, ab 2034 etwa 8,5 Millionen Tonnen CO2 per Pipeline in untermeerische Läger in auf norwegischem Staatsgebiet zu transportieren. "Es stimmt, Öl- und Gasunternehmen wie wir sind für große Mengen an CO2-Emissionen verantwortlich. Deshalb haben wir uns auch mit den Folgen zu befassen", resümierte Ruthensteiner.
Ebenfalls mit CCS und CCU beschäftigt sich die Wien Energie, die mit derartigen Technologien unvermeidbare Emissionen ihrer Müllverbrennungsanlagen (MVA) behandeln möchte. Laut Projektleiter Wolfgang Schwarz ist vorgesehen, eine erste Anlage zur Abscheidung von CO2 aus den Abgasen einer Wiener MVA Anfang der 2030er Jahre in Betrieb zu nehmen. Zum offenen Umgang mit der Thematik bekannte sich auch Schwarz: "Die nordischen Staaten Europas gehen mit viel mehr Dynamik an diese Dinge heran."
Pragmatismus gefragt
Pragmatismus empfahl ferner Stefan Wagenhofer, der Geschäftsführer des Fernleitungsbetreibers Gas Connect Austria (GCA): "Natürlich könnten wir das Klima retten, indem wir die gesamte Infrastruktur stilllegen. Aber das ist nicht der Weg, für den wir uns entschieden haben." Das Energiesystem in seiner heutigen Form sei innerhalb von etwa 100 Jahren aufgebaut worden. Nun gelte es, dieses im Sinne der Klimaneutralität umzubauen. Manche der dafür erforderlichen Technologien befänden sich noch am Anfang ihrer Entwicklung. Daher sei es gut, unterschiedliche Technologiepfade zu beschreiten, von CCS und CCU bis zur Nutzung "grünen" Wasserstoffs.
Ähnlich argumentierte Martin Wagner, der Geschäftsführer der Handels- und Vertriebsgesellschaft Verbund Energyforbusiness. Österreich habe in Sachen Energiewende und Klimaneutralität unter anderem den Vorteil, Pumpspeicherkraftwerke ausbauen und neue Anlagen errichten zu können. Doch aus geographischen Gründen funktioniere dies nicht in allen Staaten. Daher müssten diese nicht zuletzt auf Batteriespeichersysteme setzen. In Entwicklung sind laut Wagner umfassende Konzepte von der umwelt- und sozialverträglichen Beschaffung der nötigen Rohstoffe bis zum Recycling und zur Endlagerung nicht weiter nutzbarer Materialien. Letzten Endes seien die Unternehmen gut beraten, Vorhaben im Bereich Energiewende und Klimawandel gemeinsam zu entwickeln: "Da können wir alle zusammenhelfen."