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TECHNOLOGIE & TRANSFORMATION VON FOSSILEN UND GRÜNEN ENERGIETRÄGERN TECHNOLOGY & TRANSFORMATION OF FOSSIL AND GREEN ENERGIES

Quelle: Imke Herzog

„Ein Jahr später, ein Jahr weiter“ – Untertagespeicherung von Wasserstoff

Der zweite Projekttag von DGMK und BVEG beleuchtete die Untertagespeicherung von Wasserstoff und stellte Forschungs– und Anwendungsprojekte vor.

Um den volatilen erneuerbaren Energien in einem immer stärker dekarbonisierten Energiesystem kurz- und langfristige Flexibilitäten an die Seite zu stellen, kommt Wasserstoff künftig eine immens wichtige Funktion zu. Es gilt aber, die technischen Herausforderungen im Blick zu behalten, und zwar im gesamten System.
2023 fand bereits ein erster Projekttag der Deutschen Wissenschaftlichen Gesellschaft für nachhaltige Energieträger, Mobilität und Kohlenstoffkreisläufe e.V. (DGMK) und dem Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V. (BVEG) zum Thema statt. Er wurde vergangenen Dezember neu aufgelegt. Der Bedarf zu einem weiteren Austausch hatte sich nach dem großen Interesse und dem Erfolg der Veranstaltung 2023 deutlich abgezeichnet, leitete Dr. Gesa Netzeband, Geschäftsführerin bei der DGMK, den Projekttag ein.
Aktuelle technische Forschungs– und Anwendungsprojekte standen auch in diesem Jahr im Fokus. Ingo Forstner, Leiter Speicher & Geothermie vom BVEG, der moderierend durch den Projekttag führte, verwies auf den Entwicklungsprozess, den die Branche durchlaufen habe. „Ein Jahr später, ein Jahr weiter“, so Forstner, zeigten die Vorträge nicht nur, was alles gemacht werde, sondern auch, was an Projektergebnissen und Know-how geteilt werden kann. „Es ist Crunchtime“, so die Einschätzung von Forstner zu den Fortschritten. Aus zunächst vagen Vorstellungen seien inzwischen unter anderem Projekte geworden, die mittlerweile „vom Brüsseler Schreibtisch bestätigt wurden“, neue hätten sich angeschlossen. Forstner verwies auf die grundlegende Bedeutung solcher Vorhaben: „Wenn wir eine Energiewende wollen, benötigen wir Wasserstoffspeicher.“

Das Wasserstoff-Kernnetz kann kommen
Die Bundesnetzagentur hat am 22. Oktober den von den Fernleitungsnetzbetreibern eingereichten Antrag für ein Wasserstoff-Kernnetz genehmigt. Damit kann die Umsetzung des H2-Kernnetzes mit einer Länge von 9.040 Kilometern rechtssicher beginnen. Es soll bis 2032 zentrale Wasserstoff-Standorte in allen Bundesländern miteinander verbinden – von Erzeugungszentren und Importpunkten über Speicher bis zu künftigen Abnehmern in Industrie und Kraftwerken.
Was der Übergang von Erdgas zu Wasserstoff auch im Hinblick für die Netzsteuerung bedeutet, legte Dr. Janina Zittel vom Zuse-Institut in Berlin dar. Zwei Drittel des Wasserstoffkernnetzes seien bereits mit konkreten Projekten unterlegt, bis 2032 soll das Transportnetz schrittweise in Betrieb genommen werden, so Zittel. Das deutsche Fernleitungsgasnetz weist eine Länge von rund 40.000 Kilometern auf, das deutsche Wasserstoff-Kernnetz werde damit eine deutlich geringere Kapazität haben als das heutige Gastransportnetz.
Auf Basis von konkreten Transportdaten haben die Experten vom Zuse-Institut dazu Berechnungen durchgeführt. Zugrunde gelegt wurden 333 Erdgas-Transportszenarien, also für fast jeden Tag, beruhend auf gemessenen Flüssen und Drücken in einem Teilstück des deutschen Übertragungsnetzes. Modelliert wurde, wie das Netz künftig gesteuert werden müsste, um diese Transportanforderungen zu bedienen unter der Annahme, dass Wasserstoff transportiert werden müsste statt Erdgas.


Mehr Steuerungseingriffe nötig
Angesichts der spezifischen Charakteristika von Wasserstoff (unter anderem einer volumenbezogen niedrigeren Energiedichte von Wasserstoff im Vergleich zum Gas und höheren Geschwindigkeiten beim Durchfluss) zeigten die Berechnungen, so das Fazit von Janina Zittel, dass die Wasserstoffverdichtung deutlich mehr Platz in Anspruch nehmen wird, sofern keine neue Kompressortechnologie verfügbar sei. Zudem entstünden durch eine geringere Speicherfähigkeit des Netzes höhere Anforderungen an die Bilanzierung der Transportbestellungen, und es würden mehr Steuerungseingriffe nötig. Und es brauche eine größere Verdichterleistung: Um die gleiche Menge Energie zu transportieren, müsse etwa die vierfache Energie für Verdichtung aufgebracht werden.
Die Rolle von Wasserstoffspeichern für das Energiesystem
Welche Rolle Wasserstoffspeichern im Energiesystem künftig zukommen könnte, legte Prof. Dr. Mario Ragwitz vom Fraunhofer IEG dar. Ein System, das von grünem Wasserstoff dominiert würde, so eine seiner Kernbotschaften, benötige eine Speicherkapazität von 13 bis 29 Prozent des Jahresverbrauchs. Bei einem erwarteten Wasserstoffbedarf von 90 bis 130 TWh im Jahr 2030 liege die kumulierte Speicherkapazität in der Pipeline unter 1 TWh. Das Funktionieren der Wasserstoffnetze hänge damit von den Speichern ab. In Zeiten knapper Erneuerbaren-Erzeugung müsste der gesamte Bedarf, auch für Wasserstoffkraftwerke, aus Speichern gedeckt werden. Neben der technologischen Komponente verwies Ragwitz auch auf die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Wasserstoffspeicher, die unsicher seien und die Umstellung beeinträchtigten. Während Erdgas in Europa marktbasiert arbeite, gebe es bis heute keine Gewissheit über das Marktmodell für H2-Speicher.


Demonstrationsvorhaben und Praxisbeispiele
Konkrete Einblicke in verschiedene Wasserstoffspeicher-Projekte gaben Gasunie, RWE und Uniper. So hat Fernleitungsnetzbetreiber Gasunie laut Eddy Kuperus, Business Developmentmanager bei dem niederländischen Unternehmen, von 2021 bis 2023 im niederländischen Zuidwending in der ersten Phase des Demonstrationsvorhabens (A8) getestet, ob die Speicherung von Wasserstoff in den Salzkavernen sicher und zuverlässig möglich ist. Untersucht wurden dabei die Auswirkungen des Wasserstoffs auf Ausrüstung, Material, Zement und Salzwand. Das Fazit zum im vergangenen Jahr beendeten Projekt fiel laut Kuperus positiv aus. Es habe keine Anzeichen für H2-Leckagen oder negative Auswirkungen auf die verwendeten Materialien gegeben, die Speicherung von Wasserstoff sei ohne Zwischenfälle verlaufen. Einen Schritt weiter macht Gasunie mit dem Vorhaben HyStock. Bei dem ebenfalls in Zuidwending angesiedelten Projekt, das über eine Anbindung an das nationale Gastransportnetz verfügt, plant Gasunie, vier Salzkavernen zur Wasserstoffspeicherung zu nutzen. Die Vorbereitungen für den kommerziellen Betrieb laufen, 2029 will man damit starten.


H2-Speicher in Gronau-Epe soll 2027 fertig sein
Ein Praxisbeispiel der zukünftigen Energiespeicherung bei RWE gab Sebastian Cichowski, Betriebsleiter RWE Gas Storage West GmbH. Im nordrhein-westfälischen Gronau-Epe entsteht ein Untertage-Wasserstoffspeicher. Der Rahmen, in dem das Speichervorhaben realisiert wird, ist das Verbundprojekt Get H2, das die komplette Wertschöpfungskette abbildet. Produziert wird der einzuspeichernde Wasserstoff aus Nordsee-Offshorestrom in Elektrolyseuren in Lingen.
Die Bauarbeiten im Speicher in Epe sind im vollen Gange, am 4. Dezember wurde der erste Verdichter angeliefert. Bereits ab 2027 soll der Speicher kommerziell betrieben werden; Kapazitäten werden bereits vermarktet.
Uniper will 2030 in den kommerziellen Betrieb gehen
Auch bei Uniper schreiten die H2-Speicherpläne voran. Man untersuche bereits seit Jahren Gasspeicher auf ihre Eignung, erläuterte Maxim Stein-Kholov, Head of Subsurface Facilities Storages. 2030 will man in den kommerziellen Betrieb gehen. Uniper hat sich das Ziel gesteckt, 2030 ein Viertel des prognostizierten Wasserstoffspeicherbedarfs, der voraussichtlich bei 2 TWh liegen wird, bereitzustellen. In Norddeutschland testet Uniper im Projekt HPC Krummhörn die Speicherung von Wasserstoff in einer Pilotkaverne. Der Speicher liegt günstig am Knotenpunkt des geplanten Wasserstoffkernnetzes, derzeit wird der erste Wasserstoff in den Untergrund verbracht.
Im bayerischen Bierwang wiederum erprobt Uniper im Forschungsprojekt „HyStorage“ zusammen mit den Partnern Open Grid Europe, RAG Austria, SEFE und NAFTA die Integrität von Porenspeichern mit Blick auf Wasserstoff. HyStorage liegt ein mehrstufiges Konzept zugrunde, untersucht werden soll, wie sich unterschiedliche Beimischungsverhältnisse auswirken, die Wasserstoffanteile sollen nach und nach erhöht werden. In drei Projektphasen werden unterschiedliche Erdgas-/Wasserstoff-Gasgemische mit 5 Prozent, 10 Prozent und  25 Prozent Wasserstoffanteil im Erdgas in die ehemalige Erdgaslagerstätte ein- und nach einer jeweils dreimonatigen Standzeit wieder ausgespeichert. Derzeit ist man in der zweiten Projektphase, die Tests mit 10 Prozent Wasserstoffanteil laufen. Optimistisch stimme grundsätzlich, so Stein-Kholov, dass man auf Basis der Tests bei den Kavernenspeichern nahtlos in die kommerzielle Nutzung übergehen könne.


Wissen teilen
Die Informationslage werde dichter, lautete das Resümee von Speicherfachmann Ingo Forstner vom BVEG. Dazu trugen beim Projekttag von DGMK und BVEG auch die Ausführungen  von Remco Groenenberg, Udo Lubenau, Christian Belting-Clar und Daniel Bick bei. So informierte Remco Groenenberg, Scientific Lead bei der niederländischen Wissenschaftsorganisation TNO, über das TCP (Technology Collaboration Program) der Internationalen Energie-Agentur (IEA). Teil des TCP ist die Task 42 (Underground Hydrogen Storage), die es sich zur Aufgabe gemacht hat, zu einer umfassenden Bewertung der allgemeinen technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit von Untertage-Wasserstoffspeicherung zu kommen. Die Ergebnisse der TCP Task 42 sollen im ersten Quartal 2025 vorliegen, dann soll auch ein finaler Report veröffentlicht werden.
Udo Lubenau, Prokurist der DBI Gruppe, berichtete über das europäische Projekt MefHySto, das sich mit messtechnischen und thermodynamischen Fragen bei der großtechnischen Speicherung von Wasserstoff in unterirdischen Gasspeichern befasste.
Christian Belting-Clar, Senior FEED Manager Decarbonization & Innovation bei Siemens Energy, erläuterte in seinem Vortrag „Wasserstoff und die Herausforderungen beim Energie-Mixwandel an aktuellen Beispielen“, welche Lösungen aus der Industrie bei Problematiken hinsichtlich Verdichtung, Druckverlusten und Leistung bei Wasserstoff bereits zur Verfügung stehen.
Dr. Daniel Bick, Referent für Wasserstofftechnologie beim Übertragungsnetzbetreiber OGE, verwies auf die Anforderungen, die an Komponenten beziehungsweise das gesamte Pipelinesystem gestellt werden, das H2-ready sein muss. Eine Thematik, die umfangreich ist und neben komplexen technischen Einzelaspekten wie Materialbeschaffenheit auch Fragen zu Gasqualitäten oder Flexibilitäten berücksichtigen muss.


Keine „Showstopper“
Die wichtigsten Vorhaben seien abgeschlossen oder auf dem Weg, so Forstner in seinem Abschlussvortrag. Mittlerweile gebe es in Deutschland neun Projekte mit Wasserstoffkavernen. Für Untertage, lautet sein Fazit, sei schon sehr viel Forschung durchgeführt. Fertig sei man aber bei weitem nicht. Dennoch: Generelle „Showstopper“ zu den Kompatibilitäten der Materialien bei der Wasserstoffspeicherung habe man bislang nicht gefunden.

Wasserstoff
Artikel von Imke Herzog
Artikel von Imke Herzog