Anschaulich vor Augengeführt: Das Deutschen Erdölmuseums dokumentiert die frühindustrielle Erdölförderung in Wietze Anfangs des 20. Jahrhunderts.
Kurz vor Pfingsten öffnete das Deutsche Erdölmuseum in Wietze nach einer umfangreichen Umgestaltung erneut seine Pforten. Begangen wurde die Wiedereröffnung mit einem in einem kleinen Festakt, bei dem unter anderem per Video zugeschaltet Falko Mohrs, Minister für Wissenschaft und Kultur des Landes Niedersachsen, Axel Flader, Landrat des Landkreises Celle, Wolfgang Klusmann, Bürgermeister der Gemeinde Wietze und Dr. Nicole Zeddies, Leiterin Referat K24, Staatsministerium für Kultur und Medien Grußworte an Museumsleiter Dr. Stephan Lütgert und das Museumsteam richteten und sich in ihrer Ansprache zugleich sichtlich beeindruckt vom Ergebnis und dem Engagement aller an der Umgestaltung Beteiligten zeigten.
Zuvor hatte bereits Museumsleiter Lütgert den Blick zurück in die jüngere Geschichte des Hauses gewandt. Angefangen bei der weit zurückliegenden Einsicht in die Notwendigkeit einer Neugestaltung gefolgt von mehreren zunächst nicht von Erfolg gekrönten Anläufen zu einem Ausstellungsrelaunch bis hin zu dem Moment, an dem die Planungen endgültig Fahrt aufnahmen, wurde dabei nachvollziehbar, welch langer Atem für die Verwirklichung des Projekts nötig war.
Vor über 60 Jahren hervorgegangen aus einem aufgelassenen Förderbetrieb der Deutschen Erdöl AG (DEA) galt es, so Lütgert, vor allem den Innenbereich des Museums zu „entrümpeln“. All zu sehr, gab er sich durchaus selbstkritisch, habe sich das Museum im Laufe der Jahre nämlich in Richtung eines „Explorations- und Bohrmuseums“ entwickelt. Längst überfällig sei es gewesen, vor allem auch die vielfältigen weiteren Facetten des Rohstoffs Rohöl und seine spezifische Bedeutung für Wietze und die Region in den Blick zu nehmen. Deshalb habe man viele Ausstellungsstücke ins Depot verbannen müssen um Raum für die Darstellung neuer Themenbereiche sowie zahlreiche neue Elemente einer zeitgemäßeren Präsentation zu schaffen.
Das moderne und ansprechende Ausstellungskonzept kombiniert gekonnt seltene historische Exponate mit modernen Elementen wie Videoinstallationen, ansprechend gestalteten Schautafeln und zahlreichen Stationen in der Ausstellung, die zu einer Interaktion mit dem Besucher auffordern. Sichtbar wird das neue Konzept bereits in der zentralen Eingangshalle: Beim Eintritt fällt der Blick zunächst auf eine von der Decke hängende Videoinstallation, die in einer Endlosschleife Film-Dokumente aus weit über 50 Jahren Werbe- und Erdölgeschichte zeigt und dazu einlädt, sich mit dem Thema näher auseinanderzusetzen. Beim Näherkommen gibt sich diese dann sukzessive als luftiger Vorhang zu erkennen und fordert damit geradezu zu einem Blick hinter diese sich auflösende Oberfläche heraus.
Eine anfängliche Orientierungshilfe leistet in der Folge ein darunter an den Wänden der über Eck gestellte Außenhülle der Raumes angebrachter Zeitstrahl. Er wirft mit Bewegtbildern und ersten attraktiven Ausstellungsstücken bereits Schlaglichter auf wichtige Aspekte und Stationen der über 150 Jahre währenden Erdölgeschichte der Region. An diesen wie ein Bühnenraum genutzten Bereich schließt sich der eigentliche Ausstellungsbereich an. Thematisch gegliedert in die Bereiche Energie, Mobilität und Kunststoffe für Verpackungen und unterschiedlichste Produkte findet der Museumsbesucher hier zunächst einen inhaltlichen Einstieg in die Spannweite des Themas. In den darauffolgenden Abschnitten der Ausstellung kann er sich dann in die geologische Genese des Rohstoffs vertiefen, die technischen Grundlagen und Herausforderungen seiner Förderung und Verarbeitung kennenlernen oder sich etwa mit den politischen und ökologischen Begleiterscheinungen auseinandersetzen, die bis hin zu den einschlägig bekannten verheerenden Auswirkungen von Leckagen und Tankerunglücken angesprochen werden.
Ein überaus spannender neu hinzugekommener Bestandteil der Ausstellung ist zudem die umfassende Aufarbeitung der im späten 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert geradezu stürmisch verlaufenen Geschichte des Ortes, von der nicht nur die zahlreichen historischen Fotos auf den ansprechend gestalteten Schautafeln, sondern vor allem auch die Exponate des Außengeländes beredtes Zeugnis geben.
Im wahrsten Sinne zum Greifen nahe wird hier auch die „schmutzige Seite“ des Ölbooms in Wietze und Umgebung lebendig. Historische Pumpen mit denen das schwarze Gold damals gefördert wurde, mehrstufige Absetzbecken, die dazu dienten, bei der zu Tage geförderten „schwarzen Suppe“ das eigentliche Öl vom Wasser abzuscheiden oder einige der Sickergruben, in denen einst das Rohöl schwappte, lassen erschaudern, wie unbekümmert man damals mit dem hoch problematischen Stoff umging und welch harte und gesundheitsschädliche Arbeit für seine Gewinnung erforderlich war.
Unbeschwerteren Zugang zur Erdölgeschichte erlauben hingegen viele andere auf dem Außengelände ausgestellte stumme Zeitzeugen des ehemaligen Ölbooms. Ganz vorne dabei nicht zuletzt die auf dem Gelände befindlichen Bohrtürme, die ebenso wie auch die im Zuge der Neugestaltung errichtete Feldbahnstrecke vor allem auch den jüngsten Museumsbesuchern Anknüpfungspunkte zum Einstieg in die wahrlich komplexe Materie liefern. Dieser vor allem jungen Familien geschuldete Gimmick unterdessen zählte auch zu einem der drei nicht unerheblichen Kostenpunkten für den rundum gelungenen Relaunch.
Dessen Kosten belaufen sich auf insgesamt rund 1,1 Millionen Euro. Neben der Feldbahn schlugen schlugen vor allem die Neugestaltung der Ausstellung und die Digitalisierung des umfangreichen Fundus historischer Aufnahmen aus der Frühzeit der Ölförderung zu Buche. Die notwendigen Finanzspritzen stellten insgesamt neun öffentliche Körperschaften und Verbände bereit. Die Fördermittel stammen vom Staatsministerium für Kultur und Medien (BKM), vom Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG), von der Stiftergemeinschaft der Sparkasse Celle-Gifhorn-Wolfsburg, vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, vom Landkreis Celle, von der Gemeinde Wietze, von der Stiftung Niedersachsen, von der Niedersächsischen Sparkassenstiftung und schließlich vom Lüneburgischen Landschaftsverband.