Die EU hat ein weiteres – das sechste – Sanktionspaket vorgestellt, das sich gegen Russland richtet. Wichtigster Bestandteil ist – neben dem Ausschluss der größten russischen Bank, der Sberbank, vom internationalen Bankensystem Swift, ein Sendeverbot für drei russische Staatssender sowie Sanktionen gegen Personen wie dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche Patriarch Kirill – ein Ölembargo. „Wir schlagen jetzt ein Embargo für russisches Öl vor. Dabei geht es um ein vollständiges Einfuhrverbot für sämtliches russisches Öl", sagte EU- Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch im Europaparlament. Die Einfuhr von russischem Rohöl soll den Plänen nach nur noch sechs Monate erlaubt sein, für Mineralölprodukte gilt eine Frist bis Ende des Jahres. Ausnahmen wurden Ungarn und der Slowakei zugebilligt: Da beide Länder stärker von russischem Öl abhängig sind, sollen sie länger Zeit bekommen, alternative Lieferwege einzurichten.
Die Mineralölwirtschaft in Deutschland arbeitet zusammen mit dem Bundeswirtschaftsministerium daran, einen Ersatz für russisches Rohöl zu organisieren. Laut Branchenverband en2x zeichne sich für den Raffineriestandort Leuna eine Weiterbetrieb über eine Pipeline vom Seehafen Danzig ab, allerdings nicht im bisherigen Umfang. Bei der PCK-Raffinerie Schwedt, die direkt über die Druschba-Pipeline mit russischem Erdöl versorgt, soll künftig ein Teil der bisherigen Rohölmengen über eine Pipeline von Seehafen Rostock geliefert werden. „Ob das für einen dauerhaften Betrieb ausreicht, wird derzeit geprüft“, sagte en2X-Hauptgeschäftsführer Christian Küchen. Ohne Reibungsverluste lässt sich eine Umstellung der PCK-Raffinerie auf einen Teillastbetrieb wohl nicht realisieren. Laut Küchen würden in der Lieferregion Mineralölprodukte fehlen, die durch Transporte innerhalb Deutschlands und Importe aus dem Ausland ersetzt werden müssten.
Um einen Ausfall von russischem Rohöl aufgrund eines Embargos zu überbrücken, könnten auch Rohöl und Produkte, die der Erdölbevorratungsverband (EBBV) vorhält, genutzt werden. Gelänge ein Übergang bei Rohölimporten, angepasster Logistik und Weiterbetrieb der beiden ostdeutschen Raffinerien Leuna und PCK zumindest in Teillast, wovon man ausgehe, so Küchen, könnte die bundesweite Tankstellenversorgung inklusive Ostdeutschland aufrechterhalten werden. „Allerdings wird das die Möglichkeiten der Logistik auf dem Binnenschiff, der Schiene und der Straße erheblich beanspruchen“, ist en2x-Hauptgeschäftsführer Küchen überzeugt.
Versorgt werden kann Ostdeutschland mit Mineralölprodukten wie Benzin und Heizöl von Westdeutschland aus nur über Kesselwagen, via Straße oder Binnenschiffe. Um die beiden Raffineriestandorte aus dem Westen zu versorgen, müsste Rohöl über Seetransporte nach Rostock oder Danzig transportiert werden, um es von dort über Rohölpipelines weiterzuleiten. EBV-Mengen aus Niedersachen könnten über Wilhelmshaven per Tanker nach Rostock oder Danzig geliefert werden.
Allerdings sind die Raffinerien in Ostdeutschland bislang auf die Verarbeitung russischer Ölqualitäten ausgelegt. Ein dauerhafter Einsatz von anderen Rohölsorte mache laut en2x Anpassungen in der Anlagentechnik notwendig. Die würde zu hohen Investitionen führen und ließe sich auch nicht im laufenden Betrieb umsetzen.